Rio+20 und die Kirchen
Auch die christliche Botschaft ruft seit 2000 Jahren die Menschen zur Umkehr und Veränderung auf. 40 Jahre nach den Analysen des Club of Rome und 20 Jahre nach der Konferenz in Rio, wo mit der Agenda21 ein globaler Masterplan für das Überleben der Menschheit entwickelt wurde, sind wir nach wie vor auf dem Weg in den fossilen Untergang, weit entfernt von den notwendigen Änderungen und haben global noch keinen wirksamen und politisch akzeptierten Masterplan, um in den nächsten 50 Jahren unseren Lebensstil und damit das Leben der Menschheit insgesamt nachhaltig abzusichern.
Das renommierte Worldwatch-Institut geht davon aus, dass der „Kurswechsel" der Weltgesellschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung nur dann gelingen kann, wenn die Religionen intensiv Mitverantwortung übernehmen. Die religiösen Potenziale werden bisher nur eingeschränkt für eine ökologisch tragfähige, global gerechte und friedliche Entwicklung aktiviert.
Umgekehrt vermeiden viele christliche Pfarrgemeinden gesellschaftspolitisches Engagement aus Angst, in ein Eck gedrängt zu werden und dadurch Kirchgänger zu verlieren. Vielfach geht Seelsorge vom Paradigma der Säkularisierung aus: die Kirche verliert in unserer profanen Gesellschaft zusehends an Einfluss, immer mehr Menschen setzen sich von der Kirche ab, die Glaubenssubstanz schwindet bei vielen und deshalb müsse man in der Seelsorge vor allem kirchenzentriert arbeiten. Dabei vergisst man oft, dass der eigentliche Auftrag Jesu darin besteht, zu allen Menschen aller Völker zu gehen, um die Freude und Hoffnung, die Trauer und Angst der Menschen sich zu eigen zu machen, um im Geiste Jesu sich den großen Fragen der Menschheit zu stellen, die da eben sind Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.
Christliche Gemeinden können mitwirken, jene Vorgänge zu beschleunigen, die jetzt schon zu einem nachhaltigen und global verträglichen Lebensstil führen, und jene zu bremsen, in denen übereilt und von ökonomischen Zwängen getrieben weitreichende Entscheidungen über künftige Generationen gefällt werden.
So wie die Kirche etwa im sozialen Bereich zum „opinion leader" und zur geschätzten Expertin geworden ist, so wäre es ihr Erbe und ihr biblischer Auftrag, Schöpfungsverantwortung nicht nur als Hobby einiger weniger, sondern als Verpflichtung aller zu verstehen, damit sich der Schutz des menschlichen Lebens vom Anfang bis zum Ende und auch dazwischen und der Schutz des nicht menschlichen Lebens im umfassenden Sinn wie ein roter Faden durch das Leben der Kirche zieht.
Ernst Sandriesser, Sprecher Konferenz der Umweltbeauftragten, Leiter des KBW, Diözese Gurk-Klagenfurt
Quelle: ksoe-Nachrichten 05-2012, S 8
Bild: Petra Bork/ pixelio.de